Linux Weekend, FidoCon 2001 - HNA

Montag, 15.10.2001 auf der Kassel-Seite der HNA:

Computer mit offener Motorhaube

Das Computersystem Linux nutzen heißt, eine Philosophie zu verfolgen: Beim Linux Weekend im Willi-Seidel-Haus informierten Fachvorträge und eine Messe über das kostenlose Betriebssystem.

Foto zeigt Benjamin Hagemann

KASSEL

Dirk Meyers Finger fliegen über die Computertastatur, seine Augen blicken starr auf den Bildschirm. Weiße Kolonnen aus Zahlen und Buchstaben rasen über den schwarzen Monitor. "Punkt sechs, Punkt sechs, 156", sagt Dirk Meyer. So, jetzt bin ich drin im Jail. Die beiden Zuschauer rechts und links von ihm nicken mit den Köpfen.
Dirk Meyer gehört zur Kasseler Linux-User-Group, einem Zusammenschluss von Computerbenutzern, die mit dem Betriebssystem Linux arbeiten. Zum dritten Mal organisierte die Gruppe am Samstag und Sonntag ein Linux Weekend im Willi-Seidel-Haus in Kassel. Mehrere hundert Gäste besuchten Computermesse und Vorträge. Als Referent sprach unter anderem Andy Müller-Maguhn vom Hamburger Chaos Computer Club, der Computerfachleuten als Elite gilt.
Über der Messe liegt ein Klangteppich von Fachvokabeln. Die Menschen vor den Monitoren sprechen von "packs", "downloads" und "updates". Linux-Nutzer sind aber mehr als Computerbegeisterte, die Fachchinesisch sprechen. Sie eint eine Philosophie, denn Linux ist ein kostenloses Betriebssystem. Das unterscheidet es etwa von Systemen des Produzenten Microsoft. "Linux interessiert mich, weil es frei zugänglich ist. Bei Windows kostet jede Neuerung ne Menge Geld", sagt Erwin Deyß (67) aus Kassel. "Mein Computer zu Hause soll auch auf Linux laufen."

Wenn Benjamin Hagemann so etwas hört, dann strahlt er. Der 19-jährige Schüler aus Kassel hat das Linux Weekend organisiert. Das Betriebssystem sei für Computer, was einem Auto der Motor, sagt er. "Bei Windows ist die Motorhaube zugeschweißt. Da kann keiner dran außer Microsoft", erklärt Hagemann. An Linux kann jeder Nutzer schrauben. Entwickelt wurde das Programm mit dem Pinguin-Logo Anfang der 90er-Jahre von dem Schweden Linus Thorvald. Inzwischen wären ja Computerviren sogar der Tagesschau eine Meldung wert, sagt Hagemann. "Reihenweise stürzten die Rechner beim I-love-you-Virus ab. Linux nicht."

Wo ist der Pinguin?

Etliche Besucher fahren mit ihren Autos vor dem Willi-Seidel-Haus vor, öffnen den Kofferraum und hieven Monitore und Rechner heraus. Im Messeraum liegen Gäste unter den Tischen und hantieren mit Kabeln und Steckern. In Gruppen sitzen sie vor Bildschirmen, um Neuheiten zu begutachten. Andere wie Ricardo Gonzalez (28) samt Sohn Pierre (4) gehen von Tisch zu Tisch. "Ich bin überzeugter Linux-Nutzer", sagt der Maschinenbaustudent aus Kassel. Und Sohn Pierre? "Der will immer den Pinguin sehen."
Nicht alle, die auf die flimmernden Scheiben starren, haben Hochkompliziertes im Sinn. Stephan Oeste (25) aus Kassel hackt auf die Tastatur ein, Hans Freitag (20) aus Frankfurt schaut ihm zu. Was sie da machen? "Äh, ich chatte mit meinen Nachbarn", sagt Oeste. Vor Publikum? "Wieso", sagt Freitag. "Ich kenne die auch." (coe)

Die Linux-Gruppe im Internet: www.LUG-Kassel.de

Linux'er vor'm Gerät
Begutachten Linux Programme: Agnieszka Czajkowska (Mitte), Ralf Mücke (links) und Sven Hartge (2. von links) beim Linux Weekend im Willi-Seidel-Haus.